Einer der ältesten Haigerlocher Fasnetsbräuche ist
das seit 1860 in Haigerloch nachgewiesene
Bräuteln. Es handelt sich dabei um einen in
Hohenzollerischen Städten üblichen Brauch, der
möglicherweise auf alte Fruchtbarkeitsriten
zurückgeht, vielleicht aber auch auf die Zeit nach
dem 30-Jährigen Krieg, wobei die jung vermählten
Ehemänner auf einer Holzstange um den Brunnen
getragen werden.
Die Bräutlinge, alle Männer, die in den letzten 4
Jahren geheiratet oder gebaut haben, oder
zugezogen sind, werden unter den Klängen des
Bräutelmarsches auf der Bräutelstange dreimal um
den Marktplatz-Brunnen getragen und
anschließend durch das Eintauchen der linken
Fußspitze in das Brunnenwasser symbolisch in die
Narrengemeinschaft aufgenommen. Organisiert
und abgehalten wird das Bräuteln von der
Bräutelgesellschaft, einer Abteilung der
Narrenzunft, die aus ledigen jungen Männern
besteht, den Bräutelbuben.
Alle vier Jahre, jeweils im Schaltjahr, wird in
Haigerloch das Bräuteln durchgeführt. Zum Auftakt
wird am „Auseliga Dauschdeg“ zu diesem
traditionellen Brauch öffentlich ausgerufen. Dazu
fahren das „Brautpaar“ (zwei als Braut und
Bräutigam verkleidete Bräutelbuben) und zwei
weitere Bräutelbuben mit Trompete in einer
Kutsche, gefolgt vom Rest der Bräutelgesellschaft,
durch die Stadt und verkünden an verschiedenen
Plätzen folgende Einladung:
An verschiedenen Plätzen erfolgt das „Ausrufen
des Bräutelns“ durch die öffentliche Verkündigung
folgender Einladung:
„Der Bevölkerung von Haigerloch wird hiermit
kundgetan, dass am Fasnetsmontag wieder
das historische Bräuteln stattfindet. Gebräutelt
werden alle Mannsleute, die in den letzten vier
Jahren zugezogen sind, gebaut oder geheiratet
haben. Alle Bräutlinge haben sich am
Fasnetsmontagmorgen auf dem Marktplatz
einzufinden. Bei Nichterscheinen erfolgt die
zwangsweise Vorführung durch die Polizei.“
Diese Einladung wird danach auch schriftlich
jedem „Bräutling“ (dem geladenen Kandidaten)
überreicht.
Sollte ein Kandidat den Ritt auf der Stange nicht
wagen wollen, kann er sich durch den vorherigen
Freikauf der Prozedur entziehen. Allerdings muss er
dann einen Obulus im Wert von zwei schlecht
gebratenen Glöckele entrichten.
Am Fasnetsmontag, dem eigentlichen Tag des
Bräutelns, wird die Bevölkerung in aller Frühe von
der Stadtkapelle und der Bräutelgesellschaft
geweckt. Dabei wird dem Zunftmeister, dem
Bürgermeister, den Pfarrern sowie den Goldenen
Hochzeitspaaren jeweils ein Ständchen gebracht.
Anschließend geht‘s auf den Marktplatz.
Hier werden die Bräutlinge unter den Klängen des
Bräutelmarsches, hundertfach gespielt von den
Musikanten der Stadtkapelle, auf der drei Meter
langen Bräutelstange dreimal um den Brunnen
getragen. Dabei werfen sie Brezeln und Süßigkeiten
an die Zuschauer aus.
Zum Abschluss wird den Gebräutelten die linke
Fußspitze in das Wasser des Marktplatzbrunnens
getaucht, als symbolische Aufnahme in die
Haigerlocher Narrengemeinschaft.
Sollte sich ein „Bräutling“ nicht freiwillig melden, so
muss „der Bolezei“ nachhelfen. Bräutlinge, die sich
auf der Bräutelstange im Sinne der Bräutelbuben
„schlecht“ benehmen, laufen durchaus Gefahr, dass
sie manchmal ein Bad im kalten Wasser des
Marktbrunnens nehmen müssen.
Zur Belustigung der Zuschauer sind verschiedene
Bräutelkandidaten immer wieder bestrebt den
Ablauf zu stören. Dabei wurden schon etliche
Versuche unternommen die Kasse oder die
Bräutelstange zu entwenden, was nach einem
ungeschriebenen Gesetz zum sofortigen Einstellen
des Bräutelns führen und eine große Schande für
die Bräutelgesellschaft bedeuten würde.
Mit dem zwölften Glockenschlag des Römerturms,
der steil über dem Felsen vom Marktplatz thront, ist
das Bräuteln beendet.
Nachmittags bewegt sich dann der Bräutelumzug
durch die Stadt. Daran beteiligen sich die
Fasnachtsgruppen aus dem Städtle, angeführt von
den Bräutelbuben in Begleitung ihrer Mädchen,
gefolgt von den „Grombiradrucker“ (Butzen) der
Narrenzunft und den Bräutlingen vom Vormittag,
sowie vieler weiterer Gruppen und auswärtigen
Narrenzünfte.
Zum Abschluss werden verdiente Bräutelbuben
geehrt. In Haigerloch freut man sich dann schon
wieder auf das Bräuteln in vier Jahren.
Natürlich sind die Bräutelbuben der
Bräutelgesellschaft in jeder Fasnet aktiv. Außerhalb
des Haigerlocher Bräutelns sieht man die
Bräutelbuben bei vielen anderen fasnächtlichen
Gelegenheiten als Teil der Narrenzunft bei allen
örtlichen Veranstaltungen, Narrentreffen und
Umzügen, wobei das Bräuteln in einer etwas
abgewandelten Form ohne Brunnen dargestellt
wird.